Ein Reclamheftchen ist mir in die Finger geraten, seit Jahren stand es im Regal zur Zweitlese bereit, nie nahm ichs in die Hand. Es stammt noch aus Schulzeiten. Zeitweise war ich großer Brecht-Fan, hatte mir auch Bücher von ihm gekauft, nachdem ich über den Deutschkurs auf ihn gestoßen war. Den „guten Menschen“ hatte ich in guter Erinnerung und deshalb trotz des ungeliebten Reclam-Formats bislang nicht aussortiert.
Jetzt bin ich aber mehr über den Stempel oben links gestolpert…
Saurer Regen war damals Top-Thema. Aber hatte ich so einen Stempel? Oder wer hatte den? Ich weiß es nicht mehr. Was ich aber weiß: ganz unmittelbar wurde ich bei seinem Anblick ein wenig ärgerlich, obwohl ich gleichzeitig schmunzeln musste. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich verstand, woher dieser spontane Ärger kam, aber dann:
- „tut“ – nicht ich, ANDERE (wer auch immer) sollen
- „was“ tun. „Was“. Ja, was denn, bitte? Sprich, Kind! 😉
- die unterschwellige Agression im Tonfall: „endlich“ suggeriert: zackzack jetzt aber mal!
Das ist das, was mich auch bei den FFF- Demos so angefaßt hat, anfangs: diese selbstverständliche Arroganz, verbunden mit Agression*
Schon klar, auch mir: es ist alles gar nicht so extrem, weder damals noch heute: ich habe damals auch selbst „was getan“, viele der FFF-Kids tun heute auch „was“, und die FFF sind inzwischen gut organisiert und haben abseits der Parolen auch konkrete Ziele. Und doch scheints mir damals wie heute so, als ob die meisten nur laut schreien. (Nicht nur unter Kids übrigens *g*) Und genau für diese Haltung: laut sein und mit dem Finger auf die Anderen zeigen, ohne sich mit diesem Finger jemals an die eigene Nase zu fassen – dafür steht für mich dieser Stempel. Den würde ich mir heute nicht mehr aufrdrücken (lassen)
* Vielleicht erinnert sich noch Jemand: „Leute, laßt das glotzen sein – reiht Euch in die Demo ein“ *klick*
Nachdem ich gesehen habe, was gestern bei der Demo in Berlin abging, wünsche ich mir fast Greta zurück.
Nicht nur „fast“!
*kopfschüttel*
Auf diese Fingerzeige-Form der selbsternannten Guten gegen die bösen Anderen reagiere ich widerborstig, aber auch auf das oft unzutreffend vereinnahmende, zu nahe tretende, auf mich untergriffig wirkende „Wir“.
Da bin ich auch bei Literatur heikel: Bücher im Ich-Erzählerstil ertrage ich nur bei Autobiographien, aber nicht bei Romanen, bei denen ich das Gefühl habe, dass mir die Ich-Form unterstellt, mich der Figur identifizieren zu sollen.
Allgemein denke ich, dass Tun besser ist Schnacken, dass Streben nach Anerkennung der falsche Antrieb ist, und Ehrgeiz auch.
„dass Streben nach Anerkennung der falsche Antrieb ist, und Ehrgeiz auch.“ Mag sein, aber da ist für mich das Ergebnis das, was zählt. Ich glaube, wenn nur Gutes täte, wer’s als Selbstzweck tut, dann würde viel, viel, viel weniger gutes getan!
Leider wahr.
Ja, ich reagiere auch widerspenstig. Auf PETA und die Veganisten, die mir vorschreiben wollen, was ich zu essen habe, dass ich gefälligst Zoos ablehnen soll, das ganze unter Verdrehung der Tatsachen.
Bei Romanen stört mich die Ich-Form überhaupt nicht. Ob ich mich mit einer Romanfigur identifizieren kann oder nicht, liegt mehr an Eigenschaften und Handlungsweisen der Figur.
Mit Autobiografien habe ich da mehr Probleme. Die meisten, die meinen Ihr Leben ausbreiten zu müssen, können einfach nicht schreiben. Oder ihr Leben ist eben doch nicht so interessant.
Gerade lese ich Thoreau: Walden. Manches von dem was er schreibt, finde ich hochinteressant und immer noch aktuell. Aber liebe Güte, der ist so sehr überheblich überzeugt von sich, es dauert ewig, bis er endlich in seinem Wald angekommen ist. Und redundant ist er auch. Da springt mir „Ich bin besser als ihr!“ aus jeder Seite dreimal entgegen.
Zu Thoreau: Da bin ich grad froh, dass es nicht nur mir so geht. Ich habe das genauso empfunden, wie du schreibst und habe darauf verzichtet, das Buch bis zum Ende zu lesen.
Ich schwanke noch. Teilweise nimmt er ja einiges vorweg, was diese ganzen Aufräum- und Entrümpelungsexperten empfehlen. Aber Ich hätte mir doch etwas mehr Wald gewünscht und weniger erhobenen Zeigefinger.
Tja, und dann gibt es Jugendliche, die ganz nebenbei und ohne Großes Geschrei was tun.
Bojan Slat, der im alter von 16 Jahren den ersten Prototyp für den Ocean Cleanup entwarf.
Felix Finkbeiner, der mit 9 Jahren anfing anfing, Bäume zu pflanzen https://www.plant-for-the-planet.org/de/startseite, oder Jadav Padeng, der 40 Jahre lang täglich einen Baum pflanzte.
Auch Erwachsene, wie der Fotograf Sebastião Salgado, der das Grundstück seiner Eltern aufforstete. Douglas Tompkins der nach einer Karriere in der Modebranche Land in Chile für den Naturschutz kaufte oder Allan Savory der Kühe zur Renaturierung von erodierten Böden einsetzt.
Und unzählige andere, die einfach machen.
Stimmt, die machen und keiner redet davon!
Tatsächlich ist der verlinkte Felix der eibzige davon, von dem auch ich schon gehört hatte
Tolle Initiativen, das!
Wobei ich dazu neige, eher „Kleinviehmenschen“ als beispielhaft zu empfinden, wie Maria: https://widerstandistzweckmaessig.wordpress.com/ Leute, die die Maßstäbe zu hoch setzen führen gern mal zum „ach, das schaffe ich ja eh nie, da brauch ich garnicht anzufangen“- Frust.
Aber da sind Nenschen ja verschieden. Andere mögen sowas als Ansporn empfinden und ihren Ehrgeiz geweckt fühlen.😃
Ja, Kleinvieh macht auch Mist. Jeder so wie er/sie kann. Kein Auto geht in Köln, aber nicht in Mohrkirch. Mein Garten, Dein Garten, viele Gärten, die mittlerweile einigermaßen naturnah sind. Manches muss man gar nicht pflanzen, es wächst von allein. Wie meine kleine Eiche.