
Ex Kaffe-, Schwarztee-, Münzdose auf Aussteuerhandtuch mit Monogramm. Jetzt weiter in Gebrauch, hier bei uns.
Einige Male war ich nun schon „im Haus“. Mit ole Mann, allein, mit dem Herrn, mit den Freunden….
Jedes Mal ist es seltsam.
In fremden Schubladen wühlen – mit konkretem Auftrag ists okay („un in de grote Stuuv in de rechte Schapp chanz unten, dor is de Patiententestament….“) aber einfach nur suchen, ob man noch was wertvolles findet oder etwas, was man selbst gern haben möchte – und dabei auf Fotos stoßen, auf gestickte Monogramme in Bettwäsche und Taschentüchern mit dem Mädchennamensbuchstaben der ole Fru, und sogar auf solche, die man garnicht zuordnen kann – das ist dann schon was anderes.
Oben auf dem Boden stehen die schönsten Dinge: die aussortierten, von denen de ole Fru NIE verstanden hat, daß ich sie mochte: Emailleeimer und -kännchen hab ich eingepackt, zum Beispiel. „De dor de ole Krom!“ höre ich sie grummeln.
Besser hätte ihr gefallen, daß ich das gute WMF- Besteck mitgenommen habe. Spülmaschinenfest, ungebraucht in de Flur oben, Du weißt schon in einer Schublade – wer hat ihnen, die doch für gut das Silber, sonst das immer gleiche uralte Besteck hatten, DAS wohl mal geschenkt? – Wir haben jetzt erstmals zusammenpassende Messer und Gabeln, auch wenn mal 8 Leute um den Tisch sitzen sollten. Allerdings nur Messer und Gabeln. Löffel gab es nicht.)
Ja, und daß ich den kleinen, pastellgelben angegammelten 50er- Jahre- Krug, den sie bis zum Schluß täglich in Benutzung hatte, mitgenommen habe? Tüünkroom, schätze ich.
Dabei hat sie doch selbst lieber Mouders ole Stock benutzt, wenn sie in den letzten Jahren ein seltenes Mal aus dem Haus musste als den geschmähten neuen Rollator! Und benutzte die 50er-Jahre(?)-Dosen bis zum Schluß, die ich jetzt mitgenommen habe.
Es wird vieles hier zuhause an de ole Fru erinnern – und per Gebrauch geschätzt werden!
Beim nächsten Termin, allein mit dem Herrn F., dann noch ein übersehener Schrank. Weitere Fotoalben, und diesmal auch Poesiealben, Glanzbilder – und Postkarten vom „Vati“, mit deutschen, dann französischen, dann englischen Motiven vorn drauf, von 1940, 1942 („hoffentlich bin ich beim nächsten Weihnachtsfest zurück. Wir haben es ja nicht in der Hand…“), 1945.
De ole Mann erzählte, daß der Vater erst 1954(?) zurückkam – aus schottischer Kriegsgefangenschaft. Da waren schon Flüchtlinge daheim einquartiert, die eine Frau suchte sich erst eine Wohnung, als de ole Lüüd heiraten wollten und Platz im Haus brauchten („eigentlich hab ich das ja nicht nötig….“ war ihre Meinung) Aber Oma und Opa (der Vati) wohnten schließlich auch dort, es war eh recht beengt in der Kate.
Zurück zum räumen:
Noch immer sind wir nicht „durch“, aber fast.
Mal schaun, ob wir (also de ole Mann) für Schmuck, Goldzähne, Silberbesteck und Manschettenknöpfe noch ein paar Euro bekommen, ob die Reichstaler von achtzehnhundertschlagmichtot im kleinen Kästchen mehr als Erinnerungswert haben…. und dann – nach uns der Nachbar…. eventuell ziehen dann vorläufig wieder Flüchtlinge ein. Diesmal welche aus der Ukraine. Aus Geschichte lernen? Unmöglich, scheint’s. Immer wieder gibt es Größenwahnsinnige. Immer wieder kommen sie an die Macht, heute und in Ewigkeit…. dankbar darf sein, wer in Frieden leben darf – es ist zum heulen, eigentlich.
Schon wieder abgeschweift …..
Jedenfalls ist das räumen anstrengend – manchmal auch schön, aber hauptsächlich anstrengend. Mental.
Aber beim drüber schreiben ist de ole Fru oft ganz nah!
Bei den münzen frag mal den grafen, er kann dir da sicher was zu sagen…..
Das wollte ich tatsächlich tun, aber mit Ansage ists natürlich leichter… 😊
Son Milchkännchen hat meine Mom auch noch und ich habe noch 2 Trockentücher mit dem Monogramm meiner Mutter aus der Aussteuer… einen Milchtopf den mein Uroma noch hatte, Emaille….
Das sind nicht einfach Töpfe oder Kannen, das ist ein Leben.
Auch wenn mein Bruder den allergrößten Anteil daran hatte, sich durch die Sachen unserer Eltern zu wühlen, kann ich dennoch sehr gut nachvollziehen, was ihr da gerade so erlebt und durchmacht. Aber wie es Maenade schon schrieb: es ist auch Trauerarbeit.
Es ist toll, dass ihr ein paar Dinge mitgenommen habt, die ihr gerne mögt und weiterbenutzt. Es werden Zeiten kommen, wo ihr nicht jedes Mal an Marga denkt. Aber das werden dann auch die Zeiten sein, wo ihr – wenn ihr dann doch nochmal dran denkt – ein kleines Lächeln im Gesicht haben werdet. 🙂
Dass Teile der Aussteuer immer noch gut in Schuss sind, finde ich grandios. Was für Qualitätsware! Ich denke da an unsere Geschirrtücher mit „Lochfraß“. Okay, ich habe sie jetzt auch schon 30 Jahre in Gebrauch. Aber wenn ich mir auf der Suche nach neuen jetzt den Plünnkrom ansehe, der in den Geschäften angeboten wird … Aber vielleicht habe ich das richtige Geschäft noch nicht gefunden. 😉
So geht es mir ja auch jetzt mit Folgäs Sachen, von denen ja auch noch viele hier in Benutzung sind (meist Geschenke von ihm, er schenkte gern Nutzbares schönes.)
Bi de ole Fru ist es tatsächlich sogar jetzt schon so, daß ich oft lächle. Bei Folgä hat das Jahre gedauert, aber das war ja auch deutlich was anderes, als wenn so eine ole Fru selbst gehen WILL, man sich verabschieden konnte und selbst schon einige Zeit zuvor für sie gehofft hatte, es möge bald soweit sein.🙂
Das hast du schön geschrieben. Steht zwar schon in einem anderen Kommentar, aber genau das möchte ich jetzt auch sagen.
Da fällt mir ein, die Mutter einer Freundin ist gerade verstorben. Sie hatten kein gutes Verhältnis, weshalb die Freundin den Schmuck der Mutter nicht behalten wollte. Auf gut Glück ist sie damit zu einem Juwelier am Südermarkt gegangen und dachte, es kämen vielleicht mit Glück 100,- € heraus. Stolze 1.200,- € haben die ihr für ein paar Schmuckstücke gegeben. Vielleicht eine interessante Adresse, falls es Schmuck gibt, den sonst niemand will.
Gut zu wissen, es gibt schon allerhand Schmuck, von dem uns unklar ist, ob er was wert ist und wie viel. Und,den Niemand haben möchte.
Auch Dir ein danke fürs Kompliment- das schreiben darüber tut mir gut und fühlte sich bei diesem Beitrag sehr warm an 🙂
Und sie wird nah sein, wenn Du den Krug nutzt oder die Emailledinge oder das Geschirrtuch. Und dann ist es vor allem schön. Aber ja, das Räumen ist emotional anstrengend. Für mich war es so, weil hinter den Dingen der Mensch in seiner Widersprüchlichkeit durchscheint und man jetzt keine Fragen mehr stellen kann, die man zu seinen Lebzeiten nicht haben konnte, weil man die Dinge so noch nie so gesehen hatte. Und das muss man aushalten. Auch, dass man Dinge endgültig aussortiert, auseinanderreißt, die für diesen Menschen einen Wert hatten, dem man schlicht nicht gerecht werden kann. Weil man aushalten muss, dass er Entscheidungen getroffen hat (die sich auch in den Dingen wiederspiegeln), die ich nicht verstehe. Für mich war das Räumen auch Trauerarbeit, Verarbeitung, und damit wichtig. Ich bin froh, dass wir es selber gemacht und nicht ausgelagert haben, auch wenn es sehr anstrengend war.
Ich bin beeindruckt, daß Du Alles selbst aufgelöst hast – ich bin wirklich sehr froh, daß den Rest der Nachbar macht, schon wegen der schieren Masse, aber auch eben wegen der ganzen Gefühlswelt, die da hochkommt. „Aushalten“ beschreibt es wirklich- und auch da beeindruckt es mich, daß Du das so gewählt hast.
Ich entscheide mich im direkten Leben, sozusagen, eher fürs wegdrücken. Es hängt ja auch immer die ganze Geschichte mit Volkers Tod dran, ohne den de ole Lüüd und ich uns niemals so nahe gekommen wären; auch da kommt Einiges nochmal hoch.
Das schreiben hier ist dann meine „Insel“, die Löschtaste und der zeitliche Versatz mit immer wieder Änderungen bis Ihr das lest helfen, genug Abstand zu wahren 😉
In meinem Fall war das bisher „nur“ eine, wenn auch sehr volle, 40qm Wohnung und auch „nur“ von meinem Onkel. Und ich habe zusammen mit meinem Bruder geräumt. Und schon das war emotional viel. Er war aber auch der letzte, der von damals erzählen konnte, von meiner Oma, meinem Vater, es hing also auch Gepäck mit dran. In der Wohnung herrschte eine Ordnung, die wohl nur er (wenn überhaupt, ich gehe davon aus, dass es einige vergessene Dinge gab) durchschaute, so dass wir auf der Suche nach dem Wichtigen eh alles einmal in die Hand nehmen mussten. Das Stammbuch haben wir schließlich am letzten Tag doch noch gefunden, insgesamt haben wir drei Wochenenden geräumt, aber auch schon ein bisschen renoviert. Es war nicht so, dass zu Beginn die Idee da war, das zu machen, um zu verarbeiten; es gab die Notwendigkeit zu machen und ich habe dabei gemerkt, was das bei mir auslöst. Und ich war sehr erleichtert, als das durch war.
Was ich noch nicht kann: die Briefe und Fotos durchsortieren. Die haben wir in eine Kiste getan und mitgenommen. Weihnachten wollte ich mal ran, hab die Kiste aber nach zwei Minuten wieder zugemacht und weggestellt. Geht noch nicht.
Okay, 40qm ist wirklich deutlich weniger…
Wir haben, da de ole Mann nichts davon wollte, sowas wie Briefe und Co ungelesen weggeworfen. Die Vatipostkarten waren Ausnahmen, weil in Fotoalben in Fotoecken, und ich wunderte mich über die französischen und englischen Vorderseiten.
Fotos müssen wir nicht durchsehen, die Alben bekommt de ole Mann – aber man blättert ja doch jedes einmal auf, um zu sehen, ob es überhaupt eines ist (es gab auch reine Postkartenalben aus den 70ern und so), und manchmal stieß man auf das eigene Gesicht oder Folgä als Jugendlichen oder…. und blieb hängen.
Tja.
Da hast Du es schwerer gehabt, daß Du Alles durchgehen MUSSTEST, um Wichtiges zu finden. So chaotisch hier die Aktenordner waren – es waren Ordner UND die Unterlagen, die doch noch an (3) anderen Orten waren konnte de ole Mann bezeichnen.
Ich nehme an, die Ordnung war für meinen Onkel klar – nur konnten wir nicht mehr fragen. Das Stammbuch war zusammen mit dem Führerschein unter einem Stapel fein säuberlich zusammengelegter Plastiktüten aus drei Jahrzehnten auf dem Küchenbuffet versteckt (das mit einem Teil des Inhalts für die Nachmieterin in der Wohnung bleiben konnte und das wir deswegen erst spät völlig frei hatten). Ich denke, mein Onkel hätte es mit einem Griff gehabt, aber Wertsachen soll man schließlich verstecken. Oder so.
Ich kann mich nicht überwinden, in die Briefe reinzulesen, aber andererseits… sind sie z.T. von Vater und Oma oder auch von meinem Onkel selbst an meine Oma aus der Zeit, in der er zur See gefahren ist. Wenn die weg wären, wäre halt die ganze Geschichte, die in Teilen auch meine ist, mit weg. Und er hat gerne erzählt davon, ich hätte bei diesen nicht den Eindruck, in Dingen zu stöbern, die mich nichts angehen. Aber natürlich sind auch andere dazwischen, vermutlich auch ziemlich viele unwichtige (Weihnachtskarten von ex-Nachbarn und so), die ich einfach wegschmeißen möchte. Nur müsste ich sie dafür in die Hand nehmen. Achachach. 😀
Du siehst: Mich beschäftigt das ganze auch noch, wenn auch nur noch innerlich glücklicherweise. Vielleicht hätte ich auch anfangen sollen zu bloggen. 😉
Ich habe übrigens diesen Deinen Text auch gerne gelesen. 🙂
Oh, das ist vertrackt. Du wirst eibe für Duch praktikable Lösung fibden, zum Glück kannst Du Dir ja noch Zeit lassen! 😃
Mir kommen Forums- und Blogkomnentare und in diesem Fall jetzt auch peinlicherweise ihre SchreiberInnen grad durcheinander: Du kennst „Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“?
Ich fand es in seiner Kürze und dem Mix aus prakrischen Tipps und „Seelentipps“ sehr hilfreich und vor allem auch gut geschrieben. Irgendwann will ich es hier noch vorstellen. https://www.bookcrossing.com/journal/16398936/
Das hast du so schön geschrieben beschrieben.
Danke! 🙂